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Im Notfall könnten Schweizer Äcker Bevölkerung ernähren

Kartoffeln würden zu einem Hauptnahrungsmittel, sollte die Schweiz sich in einem Notfallszenario selbstversorgerisch ernähren müssen. Agroscope sda-ats

(Keystone-SDA) Müsste die Schweiz im Notfall ohne Importe auskommen, wäre die Selbstversorgung der Bevölkerung gewährleistet. Allerdings müssten die Menschen den Gürtel enger schnallen. Pro Tag und Einwohner gäbe es höchstens 2340 Kilokalorien.

Dies zeigen Modellrechnungen von Agroscope im Auftrag des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung. Dieser Wert liegt deutlich unter dem heutigen Durchschnittskonsum von 3015 kcal, wie aus einer Mitteilung von Agroscope vom Donnerstag hervorgeht. Allerdings liege er noch oberhalb der meisten Richtwerte der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung.

Kaum Fleisch, viel Stärke

Einschränken müsste sich die Bevölkerung vor allem beim Fleisch. Schweine- oder Geflügelfleisch würde “eine verschwindend kleine Rolle spielen”, wie es heisst. Zudem würde am Zucker und an Speiseölen gespart, Eier kämen selten auf den Teller und Bier und Wein wären quasi tabu. Dafür könnte man auf Kartoffeln, Backwaren und einheimisches Gemüse ausweichen, wie aus der Studie hervorgeht.

Statt als Käse würde die Milch vermehrt frisch verzehrt werden. Deshalb würden alle verfügbaren Grünlandflächen genutzt, um Milch zu produzieren. Ein Teil der heutigen Naturwiesen würde zudem wie während der Anbauschlacht im Zweiten Weltkrieg als Ackerland genutzt.

Auch die Tierbestände würden sich drastisch verändern, heisst es in dem Bericht weiter. Auf Tiere, die hauptsächlich Kraftfutter fressen, kann eher verzichtet werden als auf Tiere, die Raufutter verwerten können. Dadurch würden sich die Bestände an Mastschweinen und Geflügel um annähernd 90 Prozent reduzieren.

Der Rückgang der tierischen Produktion lässt sich damit erklären, dass die direkte Verwertung pflanzlicher Nahrung energetisch effizienter ist als die Veredlung über eine Verfütterung an Nutztiere, wie es heisst.

Schweres Mangelszenario

Die Studie, die demnächst Gegenstand eines Artikels im Fachjournal “British Food Journal” sein wird, steht in der Tradition des 1990 letztmalig publizierten Ernährungsplans. Darin werden mit einem mathematischen Modell Szenarien schwerer Mangellagen simuliert, wie sie beispielsweise nach grösseren Ernteausfällen oder “infolge restriktiver Wirtschaftspolitiken anderer Nationen, vor allem grosser Exportstaaten” auftreten könnten.

Als wichtig erwiesen sich in dem Zusammenhang die Fruchtfolgeflächen. Es zeigte sich, dass sie im heutigen Umfang von rund 440’000 Hektar nötig sind, um das Ziel der Selbstversorgung zu erreichen.

In den Berechnungen wurde vorausgesetzt, dass neben dem Land und dem Knowhow der Landwirte auch alle sonstigen Ressourcen, die zur Produktion benötigt werden, vorhanden sind. Bruteier für die Geflügelproduktion und Dünge- und Pflanzenschutzmittel wurden als importierbar angenommen. Andere Importe oder Exporte aber ausgeschlossen.

Die Wissenschaftler Ali Ferjani, Stefan Mann und Albert Zimmermann von Agroscope nutzten dafür das Modell DSS-ESSA der wirtschaftlichen Landesversorgung. Dieses wurde in den 1970er-Jahren für Krisenszenarien und Notlagen entworfen und seither stetig weiterentwickelt.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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