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Kuba legalisiert Privatbesitz und stärkt die Bürgerrechte

Im Garten des Hotels Nacional in Havanna (Aufnahmen vom April 2018). KEYSTONE/AP/DESMOND BOYLAN sda-ats

(Keystone-SDA) Mit einer Verfassungsreform will sich Kuba der Marktwirtschaft öffnen und die Rechte der Bürger stärken. Das Parlament in Havanna begann Beratungen über eine neue Verfassung, die Privatbesitz legalisieren und den Weg für die gleichgeschlechtliche Ehe frei machen soll.

Das Ziel der Schaffung einer “kommunistischen Gesellschaft” wird in der neuen Verfassung gestrichen, über die spätestens Montag abgestimmt werden soll.

Der Sekretär des Staatsrats, Homero Acosta, sagte, das “kubanische sozialistische Modell” bleibe im Prinzip erhalten mit der führenden Rolle der Kommunistischen Partei und der Staatswirtschaft, doch bedürfe es der Veränderungen. Die Gesellschaft und die Wirtschaft hätten sich gewandelt, und dies müsse sich auch in der Verfassung widerspiegel, sagte Acosta im Parlament an der Seite von Präsident Miguel Díaz-Canel.

Dieser hatte die Verfassung mit seinem Vorgänger Raúl Castro ausgearbeitet, der als Erster Sekretär der Kommunistischen Partei weiter grosse Macht besitzt. Castro hatte als Nachfolger seines über Jahrzehnte regierenden Bruders Fidel Castro das Land seit 2008 schrittweise für die Marktwirtschaft geöffnet und Privatbesitz sowie ausländische Investitionen zugelassen. Mit der Verfassung soll diese Öffnung nun weitergeführt werden.

Derzeit arbeiten im karibischen Inselstaat rund 591’000 Menschen im Privatsektor, der für 13 Prozent der Wirtschaftsleistung aufkommt. Acosta sagte, die Rolle des Marktes könne “nicht ignoriert werden”, und der Privatbesitz sei heute eine Realität des “wirtschaftlichen und sozialen Modells” Kubas.

Kleine und mittlere Unternehmen sollten rechtlich anerkannt werden, doch müsse die “Fähigkeit des Staates zur Leitung und Kontrolle” der Wirtschaft bewahrt werden, mahnte er.

Anerkennung des Privateigentums

Die bisherige Verfassung stammt von 1976 und nennt in Artikel 5 die Schaffung einer “kommunistischen Gesellschaft” als Ziel. Diese Formulierung wird nun gestrichen. Mit der Anerkennung des Privateigentums bedeute die neue Verfassung eine “interne ideologische Öffnung”, sagte der kubanische Politikanalyst Arturo López-Levy. Künftig werde die kubanische Wirtschaft eine “Mischwirtschaft” sein.

Die Reform sieht auch vor, dass die Macht künftig zwischen Staatspräsident und Regierungschef aufgeteilt wird. Dafür wird das Amt eines Ministerpräsidenten wiedereingeführt, das 1976 gestrichen worden war. Die Amtszeit des Präsidenten wird zudem auf zwei fünfjährige Amtszeiten begrenzt, Kandidaten dürfen nicht älter als 60 Jahre sein. Sowohl Fidel als auch Raúl Castro waren beide älter als 80, als sie die Macht abgaben.

Schwulen und Lesben gleichberechtigt

Mit der neuen Verfassung wird ausserdem der Weg für die gleichgeschlechtliche Ehe frei gemacht und die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben vorangetrieben.

In Artikel 68 des Verfassungsentwurfs wird die Ehe als “freiwillig geschlossener Bund zwischen zwei Personen” definiert. Das Geschlecht der Beteiligten werde nicht festgelegt, sagte Costa. Bisher wurde die Ehe als “freiwilliger Bund zwischen einem Mann und einer Frau” definiert.

Der Journalist Francisco Rodríguez nannte den Entwurf “eine offene Tür” für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Dass der Text auch das “Prinzip der Nicht-Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung” beinhalte, erlaube es, die Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender (LGBT) in der Rechtsordnung festzuschreiben.

Sexuelle Minderheiten wurden in Kuba lange Zeit stigmatisiert. Homosexuelle wurden oftmals in so genannte Umerziehungslager gesteckt und systematisch vom Staatsdienst ferngehalten. Raúl Castros Tochter Mariela Castro setzt sich seit langem als Abgeordnete für die Rechte der LGBT ein.

Das Parlament soll nun bis Montag über die 224 Artikel der neuen Verfassung abstimmen. Danach soll der Text den Bürgern in einem Referendum zur Abstimmung vorgelegt werden. Die Kommunistische Partei hat die Reform bereits abgesegnet.

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