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Patrick Langes Weg auf den Ironman-Thron

(Keystone-SDA) Ironman-Weltmeister Patrick Lange startete am Wochenende bei der mit Höhenmetern gespickten Challenge Gran Canaria mit dem 3. Rang über die halbe Ironman-Distanz in die Triathlon-Saison.

Im Interview mit der Nachrichtenagentur sda beschreibt der 31-jährige Deutsche wie ihm eine verletzungsbedingte Zwangspause zupass kam, um im letzten Oktober am berühmtesten Triathlon der Welt auf Hawaii die Konkurrenz im Marathon buchstäblich zu überflügeln.

Einen Anteil an Langes Be- und Entlastungsphasen haben auch Aufenthalte in der Schweiz. Er verbringt trainings- und ferienhalber mehrere Wochen im Jahr im Engadin und im Berner Oberland.

Lange schildert zudem, wie ihn sein Trainer Faris Al-Sultan herausforderte und dadurch zum besten Langdistanz-Triathleten der Welt formte. Al-Sultan war 2005 selbst Ironman-Weltmeister und mehrfach in den Top Ten auf Hawaii. Mit Badehose sowie unrasiertem Oberkörper als Markenzeichen war er ein Exot seiner Epoche.

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Ihr Coach Faris Al-Sultan wählte bei der Zusammenarbeit mit Ihnen einen anderen Ansatz als üblich. Statt Ihr Potenzial zu loben, machte er sie eher runter.

Patrick Lange: “Wir arbeiten jetzt im dritten Jahr zusammen. Ich bestreite den Sport seit über 15 Jahren. In allen Trainingsgruppen, in denen ich war, wurde ich quasi als Talent gepriesen. Mir wurde immer eine grosse Zukunft vorausgesagt. Faris sah dies anders. Er kochte mich von Beginn an runter. Weil ich zu ihm aufsah und immer schon viel von ihm hielt, spornte mich das an. Ich wollte ihm das Gegenteil beweisen.”

Was hat sich nun alles geändert im Leben von Patrick Lange seit dem Triumph vom letzten Oktober auf Hawaii?

Lange: “Ich hatte einen hektischen Winter. Die mediale Aufmerksamkeit steigerte sich nochmals deutlich im Vergleich zum 3. Rang auf Hawaii ein Jahr davor. Und ich habe den einen oder anderen Sponsor hinzugewonnen. Seit dem 1. Januar und dem Auftakt mit Langlauf-Training in St. Moritz steht für mich nun aber wieder der Sport im Fokus.”

Sie weilen öfters in der Schweiz?

“Ja, ich bin gerne in der Schweiz. Ich liebe die Berge. Im Sommer halte ich zumeist nach dem ersten Saisonhöhepunkt (z.B. auch in diesem Jahr wieder die Ironman-EM vom Juli in Frankfurt – Red.) ein mindestens dreiwöchiges Höhentrainingslager im Engadin ab. Oder es geht ins Berner Oberland. Dort hat ein Freund von mir etwas abgelegen eine hübsche kleine Holzhütte, wo ich dann auch mal Ferien mache. Wir machen da auch Wandertouren, beispielsweise um den Eiger.”

Vor einem Jahr kehrten Sie von einer Verletzung am Fuss zurück und blieben dann im Juli in Frankfurt (6. Rang) noch deutlich unter ihrem Rendement. Für den Saisonhöhepunkt im Oktober auf Hawaii erwies sich der verzögerte Aufbau und die fehlenden Trainingskilometer aber im Nachhinein betrachtet als Glücksfall.

“Die Verletzung war natürlich nicht gut. Ich konnte drei Monate nicht trainieren, weil wir auch lange nicht wussten, was es war. Es war ein Knochenödem am Fuss, eine Vorstufe eines Ermüdungsbruchs. Ich fühlte mich im Oktober aber tatsächlich ausgeruht, vor allem entspannt im Kopf. Ich wäre vor Kona deshalb schon mit den Top 10 zufrieden gewesen. Das nahm mir den Druck. Dennoch schmiss auch ich im Rennen mental schon fast hin. Den Tiefpunkt hatte ich bei Radkilometer 120. Und später beim zweiten Wechsel elf Minuten Rückstand auf den in Führung liegenden Cameron Wurf zurück zu liegen, war schon frustrierend und für mich kaum nachvollziehbar. Doch ein Jahr vorher lag ich nach dem Rad nur im 23. Rang, diesmal war ich Elfter. Dies allein motivierte mich schon zur Aufholjagd. Es war dann eine Willensleistung. Ich konnte mich gut quälen und zog aus jedem Überholvorgang noch mehr Energie.”

Aufgeben im Wettkampf gibt es für Sie nicht?

“Wenn ich die Startnummer festmache, dann will ich immer gewinnen. Aufgeben ist dann für mich die letzte Option. Ich weiss mittlerweile, dass ich selbst bei aufkommenden Zweifeln mein Ziel immer noch erreichen kann. Dies, wenn ich dann eben weiterfahre und weiterkämpfe, mich auf die Basics besinne und mich gut ernähre.”

Motivationsprobleme im Training kennen aber selbst Sie?

“Sicher habe ich meinen Trainer Faris Al-Sultan auch schon mal verflucht. Und es kann schon vorkommen, dass ich eine Einheit weglasse. Gerade in der heutigen Zeit mit all den technischen Tools und Hilfsmitteln und dieser Datenflut ist es wichtig, dass man immer noch auf das Körpergefühl hört.”

Und wenn Sie beispielsweise die vom Coach verordnete Wattzahl im Radfahren nicht hinbekommen, brechen Sie dann die Einheit ab oder ziehen Sie diese einfach auf einem tieferen Level durch?

“Dann ziehe ich es schon durch, mit dem was an dem Tag möglich ist. Man lässt sich nicht verrückt machen und hofft dann einfach auf die nächste Einheit.”

Gibt es Trainings, die für Sie mehr Leistungsgewinn garantieren?

“Die Mischung aus dem gesamten Trainingsplan mit Be- und Entlastung macht es aus. Deshalb kann ich keine besonderen Schlüsseleinheiten nennen. Aber es sich so, dass ich beispielsweise meinen 30-km-Lauf auf identischer Strecke über das Jahr hindurch immer ein bisschen schneller laufe, mich sukzessive steigere.”

In den letzten Monaten wurden mehrere Weltklasse-Ironman-Triathleten von Automobilisten umgefahren und schwer verletzt, etwa der Engländer Tim Don unmittelbar vor der letztjährigen Ironman-WM oder rund ein Jahr vorher der Amerikaner Andrew Starykowicz. Beide mussten sich fast vom Rollstuhl aus zurückkämpfen. Selbst bei Ihrem Triumph in Kona wurde ein anderer US-Profi trotz abgesperrter Radstrecke von einem plötzlich hineinfahrenden Lieferwagen gerammt und musste notärztlich behandelt werden. Und erst kürzlich fuhr auf Mallorca eine Autofahrerin in eine Gruppe von Triathleten, tötete einen Radfahrer und verletzte mehrere schwer. Beschäftigen Sie solche Vorfälle?

“Natürlich bekommt man das mit. Ich hatte auch Kontakt zu einigen Athleten aus der Gruppe, die da in Mallorca umgefahren wurden. Ich konnte bis zu einem gewissen Grad mentalen Beistand leisten. Die Gefahr fährt immer mit. Deshalb aber wie der Ironman-WM-Zweite Lionel Sanders nur noch auf der Rolle zu fahren, kommt für mich nicht infrage. Ich geniesse es, draussen zu bleiben. Triathlon ist für mich ein Outdoor-Sport. Vermutlich sollte man bei der Fahrausbildung die Neufahrer noch gezielter auf die Radfahrer sensibilisieren. Und ein Tipp an Radfahrer ist, ein rotes Rücklicht auch tagsüber zu montieren. Das schreckt Autofahrer mehr ab, sie machen eher einen grösseren Bogen.”

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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